Fussball-WM 6/2005 |
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SAMBIA VOR, NOCH EIN TOOOR!!!
Puuuh, das war knapp! Lange Zeit lagen sie in Führung, 1:0, durch
ein Tor von Linos Chalwe. Es traf mich wie ein Blitz, als Soumaila Seit Mitte der achtziger Jahre habe ich ja schon Sympathien für das im Süden Afrikas gelegene Land Sambia gehabt! Rund zwanzig Jahre ist es her, da gab ich einen Teil meines Geldes für einen kleinen Jungen in Sambia (etwa doppelt so groß wie Deutschland mit 10,5 Millionen Einwohner) aus. Als Pate. Der mittlerweile wohl erwachsene Mann trägt einen schönen Namen: Happiness. Aber das allein ist es nicht, was meine Begeisterung für den Fußball in Sambia entfacht. Es ist auch meine Gier. Die Gier als alter Fußball-Fan, an der Fußball-Weltmeisterschaft nächstes Jahr in Deutschland teilnehmen zu können. Ein höchst merkwürdiges und verschrobenes System der Kartenvergabe sorgt dafür, dass es meine beinahe letzte Chance ist, Karten für diesen Event zu bekommen, wenn Sambia sich qualifiziert. Aber zunächst eine Rückblende. Mensch, habe ich mich damals gefreut, als ich erfuhr, dass die Fußball-Weltmeisterschaft nach Deutschland vergeben worden ist! Seit ich sieben Jahre alt bin, hat der Fußball mich nicht los gelassen - auch der Fußball als Zuschauer. Da ist es schon etwas Besonderes und tolles, einmal die Besten der Welt quasi vor der Haustür zu haben. Einmal eine Fußball-WM erleben, das dürfte der Wunsch eines jeden Fußballfreundes zu sein. Klar freut man sich dann! Erst recht die Vorstellung, sich aufs Fahrrad schwingen zu können und in einer Viertelstunde schon am WM-Stadion sein zu können, also mittendrin zu sein, das ist schon eine besondere Verlockung. Die Stimmung in einem Stadion bei der Fußball-Weltmeisterschaft stelle ich mir lebendig vor. Und ganz anders, als bei einem „normalen“ Ligaspiel. Gebündelt internationales Flair wird hier in Hamburg auftauchen - und so etwas mag ich sehr. Auch Spiele von eher unattraktiven Fußballländern wie zum Beispiel Bulgarien gegen Saudi-Arabien oder von Korea gegen Marokko könnten mich nicht schrecken: die Welt zu Gast in Deutschland, in Hamburg. Schön! Mehr und mehr zeichnet sich im Laufe der Zeit ab, dass dies alles ein großes Fest werden wird und je konkreter das alles wurde, umso mehr stieg auch meine Vorfreude. Bis es dann an den Vorverkauf von Eintrittkarten geht. Im Februar 2005 geht’s los. Außer Deutschland steht noch kein Teilnehmer an der Weltmeisterschaft fest - da geht es schon los mit dem Vorverkauf. Für die einzelnen Spiele in jedem Stadion werden ein paar Karten verkauft. Der größte Teil der Karten geht an VIPs und Großsponsoren, erfahre ich bei der Gelegenheit. Wie toll! Meinen herzlichen Glückwunsch und viele Grüße an die Pfeffersäcke dieser Welt! Der Verkauf der Karten wird in dieser ersten Phase in einer Art Lotterie durchgeführt. Man sucht sich im Internet Spiele und Kartenkategorien raus, gibt seine Daten an (neben Ausweisnummer und Adresse inetwa Fragen wie „hatten Sie schon mal Geschlechtskrankheiten“ oder „sind sie Schwindelfrei“ sind zu beantworten, okay, leicht übertrieben) und: bestellt. Eine Sache von ein paar Minuten. Komisch, denke ich. Werden denn gar keine Karten für Spiele in Hamburg auch an Hamburger Zuschauer verkauft? Wenigstens ein paar tausend für das Stadion mit etwa 50.000 Zuschauern? Nein, dem ist nicht so: jemand aus Timbuktu oder Grönland hat genau die gleichen Chance auf eine Eintrittskarte in Hamburg, wie ich. Na ja, es geht also gerecht zu... Kartenbestellungen für alle Spiele in Hamburg, zwei Spiele in Hannover und das Finale in Berlin - jeweils für mich und meine (an Fußball völlig desinteressierte) Tochter - bestelle ich. In verschiedenen Preiskategorien. Das Verfahren gefällt mir nicht, aber was tut man nicht alles für ein solches Erlebnis. Über 1000 Euro wären für das gesamte Paket fällig - aber es ist mir schon klar, dass die Wahrscheinlichkeit, alles Bestellte zu kriegen, gleich null ist. Trotzdem zweifle ich nicht wirklich daran, dass es schon irgendwie klappen wird und mein Kartenwunsch für irgendeines der Spiele schon erfüllt werden wird. Umso größer der Schreck, als ich Mitte April gleich doppelt eine Mail von der FIFA bekomme: „Leider konnten Ihnen keine Tickets für die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Deutschland 2006 (TM) zugeteilt werden.“ Und so weiter und so fort - bla bla bla. Mist! Mist!!! Ich ärgere mich. Ich ärgere mich umso mehr, als ich höre, dass es in meinem
weiteren Bekanntenkreis Leute gibt, die für die Höchstzahl von
sieben Spielen Karten bekamen, insgesamt 40 Stück. Was für ein
ausgesprochen gerechtes System, das die FIFA da ersonnen hat! Prima,
meine Herren! EIN Spiel hätte man mir doch gönnen können, oder? Na
ja, Pech gehabt... Aber die zweite Phase des Kartenvorverkaufs steht ja noch aus, die beginnt pünktlich am 2. Mai um 12:00 Uhr mittags. Dort legt man sich dann auf ein Land fest und begleitet dieses Team durchs Turnier. Auf die Mittagspause am 2. Mai kann ich da ja mal verzichten und mich schnell für eines meiner Lieblingsländer eintragen, das noch eine gewisse Chance auf die Weltmeisterschaft hat. Polen zum Beispiel. Oder die Türkei. Oder gerne auch Kamerun. Die „großen“ Fußballländer sind vorher schon alle vergeben worden und weg. Punkt 12 geht’s also los. Ich sitze auf der Arbeit und versuche mich also, auf der FIFA-Homepage einzuloggen - aber: es klappt nicht recht! Offenbar tun gerade in diesem Moment ein paar Millionen Menschen irgendwo auf der Welt genau das gleiche und die Server sind total überlastet. Es geht nämlich zum Teil nichts mehr. Manchmal gelingt es mir, in einen virtuellen „Warteraum“ durchzudringen. Von dort wird man jedoch nicht weitergeleitet, wie bei echten Warteräumen. Man ist einfach abgeschoben. Also immer wieder die gleiche Prozedur: einloggen ein paar Angaben machen, und: ab in den „Wartesaal“. Eine Liste zeigt, wie die Kartenkontingente für die Länder nach und nach vergriffen sind. Alles färbt sich vor meinen Augen rot: vergriffen! Selbst Länder, die überhaupt gar keine theoretische Chance mehr haben, an der WM teilzunehmen sind irgendwann total vergriffen. Was für ein grandioser Murks! Meine Mittagspause ist schon längst rum und ich sitze immer noch vor dem blöden Ding - und ärgere mich. Ärgere mich grün und blau und schwarz. Irgendwann ist es soweit: Keine Chance auf Eintrittskarten mehr in dieser Verkaufsphase. Alles ist weg! Binnen rund eineinhalb Stunden. Abends, zu Hause, schaue ich aus reiner Neugierde noch einmal auf
die Homepage der FIFA - und, hopsala, es gibt wieder Karten! Bei
einigen Staaten sogar bis zum WM-Finale. So unter anderem auch
Also nicht lange überlegen und für die Spiele von Sambia Karten bestellen - ohne auch nur einen blassen Schimmer zu haben, wo und wann die Spiele denn wären… Es klappt, umgehend bekomme ich eine Mail von der FIFA, dass meine Kartenbestellung eingegangen ist, zwei Tage später ist das Geld für die virtuellen Karten von meinem nicht-virtuellen Konto abgebucht. Einen schönen zweiwöchigen Mittelmeerurlaub könnte ich für das Geld auch machen, aber na ja, Sie wissen schon... Erst später erfahre ich: sollte Sambia nicht zur Weltmeisterschaft fahren, dann bekomme ich mein Geld zurück - allerdings abzüglich einer saftigen „Bearbeitungsgebühr“ in Höhe des Preises von etwa zwei Eintrittkarten, bzw. einem Rückflugticket nach Rom! Für den Fall, dass Sambia es nicht schafft frage ich mich: ist das nicht schon Betrug? Da wird mir von der FIFA ein Produkt (=Zutritt zu Fußballspielen) angeboten, das es womöglich gar nicht gibt (=falls Sambia nicht teilnimmt), man kassiert dafür sofort die Gebühren (=zinsloses Darlehen für ein dreiviertel Jahr) und kassiert danach noch für nichts eine extrem feiste Bearbeitungsgebühr (=bei einer reinen Computertransaktion). Unglaublich so was!!! Sagen Sie selbst: Ist das nicht schon Betrug??? Obwohl Sambia immer noch durchaus Chancen hat, zur WM zu fahren,
Sollen sich die Herren Beckenbauer, Blatter und Co. ihre blöde WM, die erste, die Fußball-Fans im Stadion weitestgehend ausschließt, doch in die Haare schmieren und mir dabei den Buckel runter rutschen! Diese Mist-WM können sie sonst wo machen... Sambia jedenfalls kann hierfür ja nichts, hat trotzdem meine ganze Sympathie! Zwei Spiele stehen noch aus, bei denen es um alles geht: am 2. September daheim gegen Senegal und am 7. Oktober in Liberia. Ich werde am Internet mitfiebern! Und: Sollten sie es schaffen zur WM, dann würde ich mich freuen!
In Und sollte es nicht klappen - nicht schlimm! Ihr habt Euch sowieso so prächtig geschlagen wie nie zuvor - und mir würde eine Menge Geld und Stress erspart bleiben, die FIFA bedient sich dann üppig bei mir und für mich findet die WM dann eben im Internet und im Radio statt. Ganz so, als sei sie irgendwo in der Welt... Und doch: dies ist der richtige Moment, mal wieder einen uralten Spruch von mir anzubringen. Fußball in Radio und TV ist etwa so prickelnd wie Sex auf Video: kann mal ganz nett sein - ist aber irgendwie doch fad!
Anmerkung September 2005: Das war's dann mit den Weltmeisterschaftsträumen von Sambia! Am 3. September setzte es in Chililabombwe vor 20000 Zuschauern - fast schon überraschend - eine 0:1 Heimniederlage gegen die Mannschaft von Senegal. Damit platzen die Träume von Sambia wie eine Seifenblase - und auch meine Träume auf Karten für die Weltmeisterschaft! Das 5:0 in Liberia am 1. Oktober kann nichts mehr bewirken... Letztlich bekomme ich von der FIFA nach Monaten mein so schnell eingezogenes Geld zurück - selbstverständlich abzüglich der happigen Bearbeitungsgebühr. Aus der Qualifikationsgruppe von Sambia darf zum Ende Togo zur WM2006 nach Deutschland, zum ersten Mal bei einer WM. Freuen wir uns auf den Farbklecks aus der Mitte Afrikas... Und Sambia wird es schaffen! Irgendwann! Vielleicht ja schon bei der WM 2010 im nahen Südafrika?
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Dirk Matzen (Abdruck des Textes - auch in Teilen - nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors!) |