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370 km nördlich des Polarkreises: Rakknes ist nicht mal ein Dorf, sondern eigentlich nur ein paar hingeworfene Häuser am Kvalsund - und doch so schön, dass ich einen kurzen Stopp auf der Radtour einlege.
Tromsø, Donnerstag 18.8.2016, 9:55 Uhr
Wenn man schon mal ein Fahrrad in Tromsø für zwei Tage gemietet hat und darüber hinaus noch absolutes Traumwetter geschenkt bekommt - dann sollte man nach dem zwar anstrengenden, aber wunderschönen ersten Tag mit einer Radtour über die Insel Kvaløya nach Sommarøy auch noch eine zweite Radtour unternehmen! Kein Zweifel: Nutze die Gelegenheit!
Und das tue ich auch - natürlich! Dass von den Landschaftseindrücken her der Vortag nicht zu toppen ist (vielleicht ja nie wieder), das ist mir schon klar. Also beschließe ich, von Tromsø aus wieder über die Sandnessund-Brücke rüber zur Insel Kvaløya zu fahren. Dann aber nach Norden abzubiegen - und anschließend direkt am Kvalsund einfach entlang zu fahren, bis es nicht mehr weiter geht. Auf der Karte kann ich gut erkennen, dass dies ein kleines Stückchen vor dem nördlichsten Zipfel der bizarren Insel Kvaløya sein wird.
Nun werde ich diese Tour hier nicht, wie die Vortagestour, in epischer Breite schildern, sondern stelle hier nur eine ausführlicher kommentierte Bilderserie mit Eindrücken der Tour ein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Radtour wesentlich ruhiger und gelassener ist, als die grandiose Tour gestern. Auch, weil sie deutlich kürzer als die Vortagestour ist. Tunnel gibt es auf der Strecke nicht, auch keine besonderen Steigungen. Halt, stimmt nicht ganz: Ich hätte durch einen Tunnel fahren können - hinüber zur Nachbarinsel Ringvassøya. Der Kvalsund-Tunnel mit 1650 m Länge führt bis auf 56 m unter Null unter dem Kvalsund hindurch. Auf eine Durchfahrt verzichte ich doch sehr gerne und bleibe einfach auf der Insel Kvaløya.
Und, beinahe unvorstellbar: Das Wetter ist noch besser als tags zuvor! Ich kann es selbst kaum glauben: Da radele ich bis fast 400 km nördlich des Polarkreises in T-Shirt und kurzer Hose bei zeitweilig 24 Grad Wärme durch eine wiederum magische Welt.
Der nördlichste Ort der Welt, den ich in meinem Leben bisher erreicht habe, erreiche ich heute - per Fahrrad. 69 Grad 51,420 Minuten nördlicher Breite. Auch toll!
Denn: Ich bin hier viel weiter im Norden, als die gesamte Insel Island gelegen ist - die ich ja in einer Winterreise nach Reykjavìk so eindrucksvoll fand. Und als ich später auf eine Karte schaue, wird mir klar, dass ich hier immerhin etwa auf der Höhe der Mitte von Grönland bin! Die für die vielen Eisberge berühmte Diskobucht auf Grönland liegt ein wenig südlicher, als dieser Ort Kvaløyvågen, an dem ich in kurzer Hose und T-Shirt auf dem Rad sitze und gerade umkehre.
Auch auf dieser Tour fahre ich die gleiche Strecke hin und wieder zurück - viele Möglichkeiten, hiervon abzuweichen, gibt es auf der bergigen Insel Kvaløya kaum. Auf der Rückfahrt kurve ich noch ein wenig unkoordiniert durch Tromsø, nehme diesmal die kurze Strecke über die Steigung der Hauptinsel. Und brauche auch eine Weile, bis ich zu meinem Ziel dort, dem nördlichsten Botanischen Garten der Erde, ankomme.
Insgesamt radele ich heute noch mal 89,0 km, bei einer Fahrzeit von 5 Stunden und 9 Minuten bin ich heute sehr gemütlich unterwegs: 17,3 km/h im Durchschnitt, mit einem Maximum von 41,1 km/h. Und heute waren es "nur" 669 Höhenmeter auf der Tour...
Noch unterwegs in Tromsø: Blick zur Skisprungschanze. Tromsø hatte vor wenigen Jahren mal (inzwischen verworfene) Pläne, sich für die Ausrichtung Olympischer Winterspiele zu bewerben.
Nach Überquerung der Sandnessundbrua (also der Brücke über den Sandness-Sund bei Tromsø) geht es auf der Insel Kvaløya direkt in Richtung Norden. Es gibt zwar immer wieder auch mal Autos auf der Straße, aber übermäßiger Verkehr ist nicht das Problem.
Am Wegesrand ein Haus - wie aus dem norwegischen Bilderbuch. Und an der Fahne lässt sich erkennen, dass ich auf meiner Tour nicht mit viel Wind zu kämpfen habe.
Oha - da ist ja was schief gegangen! An der Abzweigung nach Skulsfjord ist ein aus jener Richtung kommender Wagen offenbar etwas zu früh in Richtung Tromsø abgebogen. Ich kann keine Person in der Umgebung finden - und als ich nachmittags auf meiner Radtour zurück fahre, ist das Auto verschwunden.
Ein Stückchen hinter dem Dorf Finnvik genieße ich die Aussicht auf Umgebung der Straße.
Blick von der Straße gen Norden über den Kvalsundet, ein Meeresarm, den man auf dem Weg permanent begleitet.
Immer wieder fällt die traumhaft schöne Küstenlinie am Kvalsund auf - hier beim Dorf Lauvli.
Es geht mal wieder ein Dorf, das als solches sogar eine Beschilderung trägt: Das Dorf Futrikelv. Und immer wieder erfreue ich mich an dem Ausblick.
Ein Tunnel... Nach meiner gestrigen Tunneldurchfahrt verspüre ich wenig Lust, diesen hier zu durchqueren. Außerdem führt er ja gar nicht zu meinem Ziel, sondern führt hinab bis auf 56 Meter unterm Meeresspiegel, um den Kvalsund zu unterqueren und zur Insel Ringvassøya zu führen. Auf meiner Strecke wird hinter dem Tunnel der ohnehin schwache Verkehr noch weniger.
Die nordische Vegetation am Wegesrand ist wieder mal irgendetwas zwischen ungewöhnlich und fremdartig.
Das Wasser hält eine breite Palette an blauen Farben bereit. Und dieses Türkis ich echt - und nicht am Computer nachgefärbt :-)
Idyllisch? Ein weithin einsames Haus am Rande des kleinen Rakkfjords.
Ein einsames Rentier grast völlig gelassen mitten im Dorf Rakknes.
Ein kleiner Damm führt über den Ausläufer des Rakkfjords.
Das vermeintlich idyllische einsame Haus am Rakkfjord (s.o.) erweist sich beim genaueren Hinsehen als Ruine.
Schöner Blick in die Dankarvågen, die "Dankar-Bucht".
Schön gelegen: Häuser ohne direkte Straßenanbindung in Jakthaug.
Neugierige Blicke und Grüße vom und zum Radfahrer: Aller Schönheit der Landschaft zum Trotz begegnet man in der Gegend nicht allzu vielen Menschen.
Polarer Traumstrand beim Dorf Trondjorda.
Gegen 12:30 Uhr, schneller als erwartet, taucht das Ortsschild des Ortes Kvaløyvågen (also die "Kvaløya-Bucht") vor mir auf. Der Ort zieht sich offenbar um die gesamte Bucht herum, mit dem größten Ortsteil nach einigen Kilometern auf der anderen Seite der Bucht.
Auch hier: Sonderbar krüppelige Bäume am Ufer der Bucht.
Aber es gibt auch einige Häuschen am Ende der Bucht, wahrscheinlich Ferienhäuschen - mit sensationeller Aussicht.
Der kleine Hafen von Kvaløyvågen bieten Yachten und Fischerbooten Platz.
Die asphaltierte Straße endet kurz hinter Kvaløyvågen und wandelt sich in einen Feldweg. Einem Schild zufolge endet auch dieser zwei Kilometer weiter. Da ich bei den paar scharfkantigen Steinen nicht gerade einen Platten riskieren will, fahre ich nur noch ein kleines Stück weiter bis zu einer kleinen Landzunge.
Der nördlichste Punkt, den ich in meine Leben bisher erreicht habe, bietet eine würdige Aussicht!
Allerdings ist die von mir angesteuerte kleine Landzunge zwar wildromantisch, aber schon vergeben. Trotzdem reicht der Platz für eine ausgiebige Pause in der wärmenden Sonne.
Glücklicherweise bieten die vielen Verkehrsschilder hier oben in Kvaløyvågen, Irgendwo im Nirgendwo, genügend Abstellplätze für Fahrradfahrer, so, dass es zu keinem Gedränge kommt ;-) Nein, aber im Ernst: Seit ich Tromsø verlassen habe, ist mir nicht ein einziger anderer Fahrradfahrer begegnet. Hier ist ja auch ein normaler Donnerstag.
Eine kleine Hütte am Ufer der Bucht.
Nach einer Stunde Pause geht es auf den Rückweg! Am Ende der Ortsdurchfahrt durch Kvaløyvågen. Der Ort bietet immerhin einen kleinen Laden sowie eine Tankstelle. Die Berge im Hintergrund, die die Bucht umrahmen, gehen bis zu einer Höhe von 640 m und bieten einige Wandermöglichkeiten.
Wohnhäuser am Ende der Bucht von Kvaløyvågen.
Es ist die Rückfahrt und jetzt ist das Wasser auf der linken Seite: Typischer Ausblick - eigentlich während der meisten Zeit der Tour.
Die Schönheit dieser Bucht, der Dankarvågen, hat mich schon auf der Hinfahrt begeistert. Auch jetzt auf der Rückfahrt, mit ganz anderer Perspektive, geht mir das Herz wieder auf.
Karges Land mit weitem Blick: Ein Stück geht am Høghaugen ("Hoher Hügel") entlang durch das Binnenland.
Wenn ich solchen Autos begegne, dann freue sogar ich Fahrradfahrer mich: Beim Dorf Rakknes kommt mir dieser Oldtimer mit freundlich grüßenden Insassen entgegen.
Es ist völlig unvorstellbar, dass diese Häuschen am Rakkfjorden NICHT in dem typischen Rot angestrichen wären - bei der hier ansonsten herrschenden Mischung aus grünen und blauen Farben!
Ein Fischtrawler fährt den Kvalsund gen Norden entlang zum Nordmeer.
Blick über den Sund auf die immer wieder beeindruckende umgebende Bergwelt. Und die weiße Fläche rechts am Bild sind keine Wolken.
Nachmittags gegen drei kommt Tromsø langsam wieder in Blick - gut zu erkennen an der weithin sichtbaren, geschwungenen Brücke über den Sandnes-Sund. Höchste Zeit, in Ruhe noch mal eine Pause am Wasser zu machen.
Um 16:30 Uhr hat mich das städtische Getümmel von Tromsø wieder - nach einer schönen, angenehmen und leichten Radtour. Allerdings: In Tromsø selber finde ich mich gar nicht gut zurecht, irre eine ganze Weile hin und her und auf und ab, bis ich endlich zu meinem Ziel, dem nördlichsten Botanischen Garten der Welt, gefunden habe.
Insgesamt wird mir eines klar: Man muss hier im Norden Norwegens eigentlich nur irgendwohin zu fahren, wenn man schöne Landschaften mag. Also: IRGENDWOHIN! Vorzugsweise an einem sonnigen Tag. Und prompt landet man in einem kleinen Paradies. Zumindest in einem Stückchen des Paradieses.
Denn natürlich weiß ich: Es gibt hier sehr, sehr viele von diesen kleinen Paradiesen, speziell hier oben, im Norden von Norwegen. Das sehe ich dann auch schnell, als ich im Flieger nach Hause sitze. Überall paradiesische Strände, Dörfer direkt zwischen Felsen und Fjorden, leuchtend blaues Wasser, schroffe Berge. Fast alles hier scheint eindrucksvoll paradiesisch. Eigentlich ist das, was ich in diesen beiden Tagen gefunden habe, in Norwegen gar nicht so etwas besonderes.
Aber ich habe hier mein kleines Paradies gefunden. Kaum zu glauben, dass ich über 55 Jahre gebraucht habe, um hier anzukommen. Der Weg war lang! Und es fühlt sich an, wie lange gesucht - und endlich gefunden.
Für viele ist der Ballermann auf Mallorca das Paradies, oder ein gelungenes Klassikkonzert, oder eine freie Autobahn. Aber für mich sind es halt beeindruckende Landschaften.
Und die gibt es hier oben in Nord-Norwegen. Offenball überall.
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