Radfahren...!
Radtour Oder-Neiße-Radweg
6. Tag: Küstrin-Kietz - Criewen (89 km)

Ein Fahrrad-Reisebericht über eine Radtour im Oktober 2010
   mit 22 Bildern




Radweg Unteres Odertal

Abendstimmung auf dem Oder-Neiße-Radweg im Nationalpark Unteres Odertal, hier in der Nähe von Alt-Galow. Der Abend ist richtig kalt - und doch kann Radfahren kaum schöner sein!

Hier geht es zurück zum unmittelbar vorangegangenen Teil 5 des Fahrrad-Reiseberichtes auf dem Oder-Neiße-Radweg, dem fünften Tag mit der Fahrt von Lebus nach Küstrin-Kietz.

 

Es ist Sonntag, der 17. Oktober 2010, 9:35 Uhr, Küstrin-Kietz.
Temperatur: 0 Grad, aufgelockert bewölkt.

 

Der vorangegangene Tag auf unserer Radtour den Oder-Neiße-Weg entlang war wirklich desolat! Bei heftigen Regenfällen mit starkem Gegenwind hatten wir resigniert und unsere Tour nach gut 20 Kilometern spontan unterbrochen, uns per Zug in Richtung Berlin bewegt. Weiter sollte es für uns an diesem Sonntag dann nur gehen, wenn das Wetter besser geworden ist.

Nun, der Wetterbericht sah günstig aus und als wir früh morgens aus dem Fenster schauen, sehen wir zwar noch dichte Wolken - aber keinen Regen mehr. Was tun? Werden die Wolken heute wohl dicht halten, oder müssen wir wieder mit Bindfaden-Regen rechnen?

Wir entscheiden uns trotz der Möglichkeit, noch weiter angenehm und bequem zu pausieren, wieder auf die Strecke zu gehen. Gegen neun Uhr besteigen wir wieder die Oderlandbahn. Die Wolken hängen tief. Eigentlich zweifle ich massiv, ob unsere Entscheidung richtig ist.

Aber um 9:35 Uhr stehen wir dann wieder an dem trostlosen Bahnhof von Küstrin-Kietz, wo wir tags zuvor bei strömendem Regen mittags in den Zug eingestiegen waren. Und tatsächlich: Der pitschnasse Bahnhofsvorplatz vom Vortag ist weitgehend abgetrocknet! Und hier zeigt der Himmel tatsächlich ein paar blaue Flecken. Es könnte ein schöner Fahrradtag werden. Das wäre doch großartig und würde für die beiden letzten Tage entschädigen! Diese waren schon sehr nervig und anstrengend, wenn auch auf unterschiedliche Weisen. Wir hoffen auf schöne Erlebnisse heute.

Die könnten doch eigentlich beginnen, nachdem wir den langen furchtbaren Hoppelweg vor dem Bahnhof Küstrin-Kietz überwunden haben, der uns schon tags zuvor nervte.

 

 

 

Und tatsächlich: Schon als wir wieder zurück auf den Oder-Neiße-Radweg kommen, reißt der Himmel immer weiter auf. Das hier ist "unser Revier": Wir kennen den Radweg auf dem Oderdeich, zumindest bis hinauf nach Bienenwerder, von früheren Touren bestens! Schon häufiger waren wir hier unterwegs. Das macht aber nichts, im Gegenteil: Auf einige schöne Punkte und Einkehrmöglichkeiten freuen wir uns schon jetzt!

Aber zunächst begleitet uns der Anblick auf den riesigen, qualmenden Schornstein in der Nähe vom polnischen Kostrzyn eine Weile. Aber das ist kein Vergleich zu dem stundenlangen Blick auf das riesige Stahlwerk bei Eisenhüttenstadt am vierten Tag unserer Tour (siehe hier den Tourenbericht der vierten Etappe von Guben nach Lebus).

Verkehrsschild im Wasser

Keine Sorge, an dieses Verbotsschild hält man sich! Die Oder führt recht hohes Wasser und überflutet vor dem Deich fast alle Wege.

 

 

 

Der Radweg ist auf diesem Stück Weg einfach perfekt! Eine bessere Qualität kann ein Radweg kaum haben. Hinzu kommt, dass heute nur einzelne andere Radler unterwegs sind. So können wir in Ruhe unseren Weg durch diese wunderschöne Landschaft nehmen. Der Himmel reißt mehr und mehr auf, schon um zehn Uhr gibt es mehr blau als grau am Himmel. Der Wetterbericht wird offenbar Recht behalten. Wenn er weiterhin Recht behält, dann wird es tatsächlich ein schöner Tag werden! Wie gut, dass wir uns tatsächlich aufgerafft haben und unsere Verzagtheit vom Tag zuvor abgeschüttelt haben.

Odervorland Gross Neuendorf

Blick vom Oderdeich über das Odervorland, inzwischen bei blauem Himmel.

Um elf Uhr ist die erste längere Pause fällig. In einem langen Deichbogen in der Nähe von Sophiental haben sich in dem teilweise überschwemmten Deichvorland tausende von Vögeln versammelt. Immer wieder ziehen ganze Schwärme ihre Runden. Ein schönes Naturschauspiel - unter mittlerweile knallblauem Himmel. Für dieses Spektakel muss man sich dann doch mal zwanzig Minuten Beobachtungszeit gönnen!

Kienitz Stele Zweiter Weltkrieg

Die Stele bei der Ortschaft Kienitz erinnert daran, dass im Zweiten Weltkrieg hier die Rote Armee erstmals die Oder überschritten und einen Brückenkopf gebildet hat.

 

 

 

Ein paar Minuten später fahren wir kurz vor dem Ort Kienitz an der Gedenkstele vorbei, mit der der Stelle gedacht wird, an der die Truppen der Sowjetunion bei ihrem Marsch auf Berlin die Oder querten.

Wir fangen an, den schönen Tag zu genießen. Gerade mal zehn Minuten nach unser letzten Pause zum Beobachten der Vogelschwärme machen wir das nächste Päuschen. Diesmal in dem direkt am Deich gelegenen Gasthof in Kienitz. Wir hatten uns ja schon auf ihn gefreut - und Tatsache: er hat geöffnet und wir verwöhnen uns mit einer frischen Waffel... Noch einmal zwanzig Minuten Pause. Ja, der heutige Tag scheint wirklich gut zu werden! Erst um zwölf Uhr machen wir uns wieder auf den Weg. Weit sind wir heute ja noch nicht gekommen - aber wir sind ja auch nicht auf der Jagd.

Ruck-zuck kommen wir dann nach Groß Neuendorf, entdecken dort direkt neben dem markanten Verladeturm eine ganz neue, außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit: In abgestellten Eisenbahnwaggons direkt am Hafen. Also eine Übernachtung direkt neben dem Wasser der Oder - irgendwie verlockend. Aber für uns heute leider der völlig falsche Zeitpunkt. Wir wollen doch noch radeln! Jetzt so richtig!

Der Himmel zieht sich wieder ein wenig zu, aber nicht bedrohlich. Vielleicht ist es auch ganz gut - womöglich würden wir uns ansonsten heute, Mitte Oktober(!), ansonsten eine Sonnenbrand holen. Nachdem wir tags zuvor darunter litten, völlig durchgeweicht zu werden.

Zollbrücke

Auch ein guter Ort für einen Stopp: Zollbrücke. Das Dorf bietet mit seinen wenigen Häusern ein verblüffend umfangreiches kulturelles und kulinarisches Angebot.

 

 

 

Nach genussvollem Fahren naht der nächste Stopp planmäßig in Zollbrücke - nach insgesamt immerhin schon 45 Kilometer Radfahren an diesem Tag, davon 40,5 auf dem Oder-Neiße-Radweg. Zeit für die nächste Pause, oder? Schließlich gibt es ja auch hier eine nette Einkehrmöglichkeit. Relativ viele Leute sind hier zusammengekommen, aber das kennen wir schon: Orte, die am Oderdeich per Auto erreichbar sind, sind bei verlockendem Wetter schnell überlaufen. Der kleine Wochenmarkt lockt uns nicht so sehr. Aber die gerade eröffnete "Damm Meisterei" zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Einen Moment zumindest.

Nach einem schönen Kaffee geht es wieder auf die Strecke. Auch das folgende Wegstück kennen wir gut, also fällt uns leicht, zügig einige Kilometer "zu machen". Der Radweg bleibt weiterhin perfekt und wenig bevölkert. Die Landschaft scheint mir jedoch von Kilometer zu Kilometer schöner zu werden. Auch das Wetter stimmt - es sind zwar ein paar mehr Wolken aufgezogen, aber die sind weiterhin nicht bedrohlich.

 

 

 

Gegen halb drei Uhr kommen wir nach Hohenwutzen. Langsam wird es Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen, wohin wir uns denn mit der Übernachtung orientieren. Aus einer früheren Reise kenn meine Liebste ein Hotel in der Ortschaft Stolpe, in der Nähe des Stolper Turms. Das sei eine wunderbare Unterkunft, meint sie. Bis dahin sind es nur noch ca. 15 Kilometer. Wunderbar, das passt doch großartig!

Kraniche

Herbstzeit ist auch die Zeit der Zugvögel, die man häufig beobachten kann. Hier eine Gruppe lautstark plaudernder Kraniche in der typischen Keilformation.

Relativ schnell kommen wir dann in die Ortschaft Hohensaaten, während die langsam sinkende Sonne zusammen mit den aufziehenden Wolken ein schönes Licht-Schauspiel abliefern. Alles läuft toll, wir platzen fast vor Freude, dass wir uns heute Morgen zu der Weiterfahrt entschlossen hatten - nach dem Desaster vom Tag zuvor.

Schild Oder-Neiße-Radweg

An ein paar Stellen in Hohensaaten ist Obacht geboten: Anstatt die Fahrradschilder immer in ein paar Metern Höhe zu suchen, bestimmen für kurze Zeit Pappschilder auf Holzbrettern direkt über dem Boden die Richtung. Aber immerhin!

 

 

 

Nach ein paar kleinen Orientierungs-schwierigkeiten aufgrund von fehlenden Schildern bzw. absurd angebrachten, unauffälligen Schildern finden wir dann in Hohensaaten noch auf den richtigen Weg - dieser läuft eine ganze Weile lang sehr schön gelegen zwischen der Oder und der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße, bis letzterer, ein künstlich angelegter Kanal abbiegt und für uns einstweilen nicht mehr sichtbar ist.

Spaziergänger Oderdeich

Auch viele Spaziergänger nutzen den schönen Weg am Rande Deutschlands.

 

 

 

Mit Riesenschritten nähern wir uns dem Nationalpark Unteres Odertal, die Landschaft ist mittlerweile beeindruckend schön, ein schön mildes, ebenes Tal. Einfach nur toll! Und auch für Ornithologen findet sich hier offenkundig eine Menge. Jedenfalls beobachten wir einige Leute, die mit Feldstechern bewaffnet Vögel beobachten. Als wir dann einen Adler sehen, freuen wir uns auch und machen in kleinen Abständen ein paar kurze Stopps, um die ungestörte Schönheit der Natur regelrecht in uns "aufzusaugen".

Offenbar durch eine Unachtsamkeit (oder durch mangelhafte Ausschilderung?) verpassen wir nach ein paar Kilometern den offiziellen Verlauf des Oder-Neiße-Radweges: Anstatt zur Ortschaft Lunow abzubiegen, fahren wir einfach gerade weiter auf dem Oderdeich entlang. Das ist auch weiter kein Problem, der Weg ist gut. Erst, als wir - es ist immerhin schon 16:30 Uhr und es wird Mitte Oktober um 18 Uhr ja richtig dunkel  - zur Ortschaft Stolpe abbiegen, müssen wir auf einen etwas matschigen Feldweg.

Nationalpark Unteres Odertal

Blick über die Oder im Nationalpark Unteres Odertal in der Nähe von Stolpe.

Unser Tagesziel direkt vor Augen, machen wir allerdings noch einen Stopp auf den etwa 2,5 km nach Stolpe - meine Liebste erinnert von ihrer früheren Exkursion noch, dass es dort an dem "Stolper Strom" einen Biberbau gibt. Diese Tierchen möchten wir doch gerne mal besuchen, vielleicht gibt es ja auch dort etwas spannendes zu beobachten...?

Wir waten durch matschige Wiesen, unsere Schuhe leiden darunter, aber nein: die Biber scheinen ausgezogen zu sein. Wir finden keinerlei Hinweis auf sie, schade. Schon ist es fünf Uhr.

 

 

 

Dann also jetzt nach Stolpe, zu dem Hotel in der Nähe des Stolper Turms. Wir betreten die Rezeption des völlig verwaist erscheinenden Hotels, meine Liebste weist mich zufrieden auf das beinahe voll belegte Schlüsselbrett hinter dem Empfangstresen hin.

Wir klingeln - nach einigem Warten erscheint eine Mittzwanzigerin. Ihr ganzer Ausdruck offenbart, dass sie sich offensichtlich sehr gestört fühlt. Wir fragen freundlich, ob es denn für diese Nacht ein Doppelzimmer für uns gäbe? Vor einer Antwort mustert sie uns beide jeweils ewige Sekunden lang von Kopf bis Fuß, bleibt ein wenig an unseren Füßen hängen. Nein, lautet dann ihr Urteil, es gäbe in dieser Nacht leider kein freies Zimmer in diesem Hotel. Sie seien ausgebucht, lügt sie uns mit all der Arroganz ins Gesicht, zu der ein junger Mensch Mitte Zwanzig überhaupt fähig sein kann.

Mir ist es sofort viel zu dumm, sie noch einmal zu bitten, genauer nachzuschauen, ob in diesem doch recht großen Haus zu dieser Jahreszeit wirklich ALLES komplett voll ist. Mit einem nur knappen Gruß suchen wir das Weite. Die hochnäsige Dame, die noch pampsig meint, vielleicht, ja, ganz vielleicht, gäbe es ja in Criewen noch ein Plätzchen für uns, hatte einfach keinen Bock auf Arbeit und hat die "ham-wa-nich"-Mentalität aus DDR-Zeiten offenbar sehr tief verinnerlicht. Obwohl sie die DDR nur als Kleinkind erlebt hat. Mit so etwas muss man im tiefen Osten Deutschlands offenbar immer mal wieder rechnen. Selten jedoch so plump und dämlich.

Binnenschiff auf Kanal

Bei Stolpe, der Abend zieht heran: Ein Binnenschiff auf der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße.

 

 

 

Auf einer Bank vor dem Hotel, direkt an der Wasserstraße beratschlagen wir ein wenig. Es dämmert bereits. Die nächste ausgewiesene Unterkunft unseres bikeline-Radführers befindet sich in einem Gasthof der Ortschaft Criewen, in gut zehn km Entfernung - wir rufen dort an. Der Kontrast zu dem gerade erlebten könnte nicht größer sein: Ja, natürlich habe man gerne ein Zimmer frei! Wir sind herzlich willkommen! Am besten finden wir das Haus so und so. Und wenn auf dem Oder-Neiße-Radweg eine Baustelle ausgeschildert sei, sollten wir uns nicht darum kümmern und den Weg einfach weiter benutzen, das sei problemlos möglich und erspare uns einen kilometerlangen Umweg.

So geht es also auch! Da würde ich sagen: Stolpe - Criewen 0:1, Abpfiff. Und dadurch Abstieg von Stolpe in die unterste Kreisklasse.

 

 

 

Nach der freundlichen Begrüßung aus Criewen mit gar nicht besonders viel Groll verlassen wir also Stolpe, begeben und wieder auf den Oder-Neiße-Radweg. Die Wolken verziehen sich wieder. Das hat zwei Effekte: zum einen ist es dadurch noch relativ hell, zum anderen wird es verblüffend schnell richtig kalt. Handschuhe waren sowieso schon gefragt, trotzdem gibt es jetzt kalte Finger und auch Füße. Aber die Landschaft ist einfach nur schön!

Stützkow

Blick über die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße zum Dorf Stützkow.

Ein Auto überholt uns, auf dem Oder-Neiße-Radweg. Wollen wir mal zu seinen Gunsten annehmen, dass er zur Nationalparkverwaltung gehört... Die Umleitung wegen der Baustelle ignorieren wir tatsächlich, mit etwas flauem Gefühl. Aber die Dame am Telefon hatte tatsächlich Recht: Es gibt kein Problem - außer, dass der Weg ziemlich verschmutzt ist.

Um Punkt 18 Uhr, bei hereinbrechender Dunkelheit, kommen wir so nach Criewen. Den Gasthof finden wir ohne Probleme und stellen fest, dass man dort auch in der persönlichen Begegnung ausgesprochen nett ist. Es gibt auch noch gute Hausmannkost für uns, was will man mehr? Ein großartiger, traumhafter Radfahr-Tag!

Nach insgesamt 89 Kilometern (einschließlich der Fahrt zum Bahnhof) mit einer Netto-Fahrzeit von 5 Stunden 7 Minuten, also einem Durchschnitt von flotten 17,4 km/h (Spitze 29 km/h) sinken wir zufrieden in die Betten. Auf unserer diesjährigen Tour auf dem Oder-Neiße-Radweg haben wir damit insgesamt schon 409 Kilometer hinter uns gebracht. Und: Die Wettervorhersage für den folgenden Tag ist gut!

 

Der exakte Verlauf wird in der (zoombaren) Karte unten mit der blauen Linie angezeigt. Hin und wieder kommt es in der Stadt zu kleinen Störungen bei meinem GPS-Empfänger, aber die Route ist trotzdem bestens nachzuverfolgen.

 

Und hier geht es direkt zum unmittelbar folgenden Teil 7 des Fahrrad-Reiseberichtes des Oder-Neiße-Radweges: dem siebten Tag mit der Fahrt von Criewen bis nach Penkun.

 

Und, last, but not least, geht es hier zu meiner externen Bilderserie zu dieser Radtour mit 72 großformatigen Bildern auf meiner externen Webseite www.reiseberichte-bilder.de (ein neues Fenster öffnet).

 

 

 

 

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Dirk Matzen

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