Meine Empfehlungen
im Internet:
Kilometerlange, gerade und ruhige Straßen - perfekt zum Rennradfahren ist es an diesem Sommertag, Dänemark im Süden einmal von Ost nach West zu durchqueren.
Es ist Mittwoch, der 25. Juli 2012, 10:45 Uhr.
Flensburg, Bahnhof.
Praller Sonnenschein - knallblauer Himmel.
Die Sichtung des Artikels im Frühjahr 2020 macht folgenden Hinweis notwendig: Offenbar gibt es die dänische Nationalroute 8, die zum größten Teil für diese Tages-Tour verwendet wurde, in dieser Form nicht mehr! Jedenfalls kann ich auf dänischen Internet-Seiten keinen Hinweis mehr auf diesen ausgeschilderten Streckenverlauf finden. Die Bezeichnung Route 8 wird jetzt für einen anderen Strecken-Verlauf (an der Ostseeküste) verwendet. Dies sollte beachtet werden, wenn die Tour nachgefahren werden sollte. Allerdings: Es ist simpel, die Streckenführung auch ohne die Fahrrad-Beschilderung der Nationalroute 8 zu finden.
DAS kann doch nicht alles gewesen sein! ist einer meiner Gedanken in diesen schönen Sommertagen Ende Juli 2012.
Gerade bin ich von einem Urlaub der besonderen Art zurückgekommen: 14 Tage Wandern im Oberallgäu (soweit das Wetter dort größere Wanderungen zuließ) und dann, quasi als krönenden Abschluss, ging es aus dem Allgäu per Fahrrad über die Alpen bis zum Gardasee. Eine "Transalp", mit einer kleinen Gruppe. Ein großartiges Erlebnis - hier beschreibe ich meine Tranalp in einem ausführlichen Tourenbericht.
Nun allerdings bin ich Ende Juli wieder in meinem heimatlichen Hamburg, habe noch ein paar Tage frei, bis der Job wieder nach mir schnappt - und fühle mich fit, wie seit vielen, vielen Jahren in meinem Leben nicht mehr. Das sommerliche Wetter präsentiert einen wolkenlosen Himmel, der Wettervorhersage nach bleibt dies erstmal so. Die Cyclassics mit meinem ersten Versuch über die lange Strecke mit 155 km stehen im August bevor. Also juckt es in den Beinen - klar!
Mein Gedanke also an diesem hochsommerlichen Mittwoch: Rennrad checken, rein in den Zug, ab nach Flensburg, von der Ostküste quer durch Dänemark bis zur Westküste radeln, und dann abends dann mit dem Zug wieder zurück nach Hamburg. Fertig! Guter Plan, oder?
Vor knapp drei Jahren sind meine Liebste und ich die dänisch-deutsche Grenzroute schon einmal gefahren - im kühlen Herbst, als Mehrtages-Tour. Ich erinnere eine sehr ruhige, sehr friedliche Gegend. Eigentlich ideal zum Rennradfahren - von einigen geschotterten Abschnitten mal abgesehen. Auf einigen Strecken ist die Streckenführung der Grenzroute identisch mit der dänischen "Nationalroute 8". Beide Routen begegnen sich immer wieder mal. Aber während die Grenzroute halt ständig im Zick-Zack zwischen Deutschland und Dänemark hin und her wechselt, bleibt die Nationalroute 8 natürlich komplett auf dänischer Seite.
Und genau die habe ich mir für den heutigen Tag dann vorgenommen. Früh rappele ich mich an diesem Urlaubstag auf, sitze um halb neun Uhr im Zug nach Flensburg, wo ich dann um zwanzig Minuten vor elf den Bahnhof verlasse.
Wie nun jedoch zur dänischen Nationalroute 8 kommen? Das ist ganz einfach: Den Weg vom Bahnhof am Stadtzentrum entlang zur Fördespitze nehmen - dort ist dann ja der Beginn der dänisch-deutschen Grenzroute. Der folge ich dann schlicht bis hinter die dänische Grenze - wo ich dann automatisch früher oder später auf die dänische Nationalroute 8 stoßen muss.
Ein ebenso simpler wie guter Gedanke. Die Beschilderung hier an der Fördespitze und im Stadtgebiet von Flensburg ist üppig, man findet gut auf seinen Weg gen Dänemark.
An der Förderspitze findet man alle Informationen und Schilder, um mit dem Rad gut auf den Weg zu kommen.
Eine schöne Hafenzeile: Flensburg wirkt sehr einladend an diesem Sommermorgen. Und trotzdem ignoriere ich diese Einladung und starte umgehend auf meine Rennrad-Tour.
Aber: Wie anders doch der Eindruck von Flensburg hier heute ist! Vor drei Jahren, in der zweiten Oktoberhälfte, hing düsteres schweres Grau über der Stadt Flensburg. Heute jedoch ist der Himmel makellos blau, ein traumhaft schöner Sommertag über der heute besonders einladenden Stadt. Wunderschön!
Idylle pur: Wenn dieser keineswegs überfüllte Traumstrand in Wassersleben an der Flensburger Förde bei diesem Traumwetter keine Verlockung ist - dann weiß ich auch nicht...
Aber ich will Radfahren und trete dann besser
umgehend wieder in die Pedale.
Allerdings habe ich ja noch eine ganz schön lange Strecke vor mir, halte mich also nicht lange auf und mache mich umgehend auf den Weg. Gut erinnere ich mich von unserer damaligen Tour an die Strecke gen Dänemark. Als ich an dem wunder-wunder-wunderschönen Strand in Wassersleben an der Flensburger Förde entlang komme, muss ich dann doch mal anhalten: Ich habe zwar einen Rucksack mit ein paar notwendigen Utensilien mitgenommen, aber an Badesachen habe ich dabei nicht gedacht. Viele haben das anders gemacht: Der Strand ist gut bevölkert (jedoch keineswegs zu eng), viele baden in dem sicherlich angenehm warmen Wasser. Am liebsten würde ich es ihnen jetzt gerade gleichtun! Warum muss ich eigentlich immer, immer nur Radfahren? Bin ich etwa zwanghaft? Kann ich mich nicht einfach mal faul an den Strand legen im Urlaub?
Doch dann denke ich an die in einem Monat bevorstehenden 155 km in fünf Stunden Zeit, und daran, dass ich heute morgen gerade mal sechs Kilometer zum Bahnhof und jetzt gerade mal 6,4 Kilometer in Flensburg gefahren bin, klinke meine Schuhe wieder in die Pedalen, reiße mich von dem traumhaften Blick und meinen plötzlich entstanden Traum vom süßen, faulen Strandleben los und sehe zu, dass ich weiterkomme.
Wenige Minuten später quere ich die Grenze nach Dänemark. Immer wieder freue ich mich, wie einfach und unkompliziert das heutzutage hier ist. Meine Gedanken schweifen allerdings auch recht ausführlich in meine Kindheit: Dieser Grenzübergang hier in Kupfermühle/Kruså ist der einzige Grenzübergang, den ich bis zu meinem 18. Lebensjahr überhaupt überquert habe, zwei- oder dreimal, als etwa zehnjähriger Buttscher. Meine Eltern haben damals immer allerhöchste Disziplin von mir verlangt - sonst würde man mich ganz streng hier behalten, während meine Eltern weiter zur Verwandtschaft fahren würden. Damals, für mich: Ein Ort des Schreckens! Und das eigentlich völlig unnötigerweise. Und wie ferngesteuert kullern meine Gedanken einen Moment lang zurück in meine Kindheit.
Die Grenze nach Dänemark: Ganz rechts der Grenzstein, dann die dänische Wappen auf den Schildern, das dänische EU-Schild, die Staats-Flaggen und da hinten die ersten Häuser von Kruså.
Heute nun aber hier mit meinem geliebten Rennrad einfach so durchzurollen, ist wie eine Genugtuung und ein richtiges Glücksgefühl. Wie gut ich mich nach über 40 Jahren noch an diese charakteris-tischen Häuschen hier an der Grenze erinnern kann. Ach je, nun gut - Vergangenheits-bewältigung auf die praktische (Rennrad)Tour.
Die Beschilderung der Nationalroute 8 im Süden Dänemarks ist klar und kaum zu übersehen.
Zurück aber nun ins hier und jetzt. Denn: Die ersten dänischen Streckenschilder tauchen gerade auf. Da heißt es aufpassen, damit ich nicht gleich hier die richtige Route und die "Nationalroute 8" verpasse. Eine recht grobe Karte führe ich mit, ein wenig kenne ich ja die Gegend noch von der Radtour - wird schon werden. Kurz darauf habe ich die "Nationalroute 8" gefunden (die Beschilderung ist sehr klar und simpel) und bin also auf einem guten Weg.
Ein leichter Südostwind schiebt ein wenig nach Nordwest - sehr angenehm. Auf einem gut markierten, breiten Radweg ändere ich in Kruså allerdings die Richtung der Fahrt: Bisher ging es nach Norden, jetzt biege ich auf der Nationalroute 8 (die in der anderen Fahrtrichtung an der Flensburger Förde noch weiter nach Osten verläuft) ab nach Westen und dann zunächst ein Stück nach Süden. Alles ist toll: Das Wetter grandios, die Maschine läuft, ich fühle mich bestens, komme mit 25-30 km/h angenehm gut voran.
DHier geht's durch Padborg. Ein wenig gesichtslos und gerade auch menschenleer kommt der Ort daher, der danke seiner Nähe zur Grenze vor allem von riesigen Logistik-Unternehmen lebt.
Als ich um zehn Minuten vor zwölf Uhr den 4.000-Ort Padborg durchquert habe, weiß ich: Das war es jetzt erstmal mit größeren Ortschaften. Die Nationalroute 8 geht dann stramm und direkt nach Westen. Zuweilen auf separaten, guten Radwegen, meist jedoch auf schwach bis sehr schwach befahrenen Landstraßen. Rennradfahrer lieben solche Strecken: Da stellt man den Autopiloten auf 28-30 km/h und rollt dahin...
Die Frøslev Plantage - ein größeres Waldgebiet im Süden Dänemarks überzeigt mit einer übersichtlichen Fahrstrecke. Von der Fahrt auf der Grenzroute vor drei Jahren erinnere ich mich lebhaft, dass es hier in dem Waldgebiet, ein Stückchen weiter nördlich, ein Internierungslager aus der Nazizeit gibt. Den Hinterlassenschaften dieser hässlichen Zeit entgeht man einfach nicht in Europa.
In völliger Ruhe geht es durch einen Wald, die Frøslev Plantage, danach durch weite, flache Gebiete - Landwirtschaft bestimmt das Landschaftsbild. Nach 20 Minuten flotter, völlig ungestörter Fahrt greife ich doch mal in die Bremsen: Hoppla - das kennst Du doch hier!?
Der Grenze ganz nah: Der linke Grünstreifen gehört schon zu Deutschland, die Straße ist in Dänemark.
Die Grenze im Dorf Fehle ist zugleich ein kurzer Schnittpunkt zwischen der dänisch-deutsche Grenzroute und der Nationalroute 8.
In der Tat bin ich gerade an einen Schnittpunkt mit der Grenzroute angekommen, im Dorf Fehle. Eine der vorzüglichen Infotafeln steht hier - eine gute Gelegenheit, mal zu schauen, wo man sich gerade befindet und wo es weitergeht. Und die Karte sagt: Die beiden Radrouten treffen sich nur ganz kurz, trennen sich fast sofort wieder. Um auf der Nationalroute 8 zu bleiben, fahre ich in Richtung des Dorfes Sofiedal, muss die nächste Straße links abbiegen.
Alles läuft völlig problemlos! Das völlig ungestörte Radfahren quer durch Dänemark ist heute wie ein Traum. 24 Kilometer habe ich seit dem Bahnhof in Flensburg gefahren - entspannt und freudig. In der Tat: Eine gute Idee mit dieser Tour!
Irgendwann fängt mich aber ein Gedanke ein: Was würdest Du eigentlich machen, wenn Du nun eine echte Panne hättest? Nun gut, meine kleine Rennrad-Luftpumpe und zwei Ersatzschläuche habe ich natürlich dabei. Aber ansonsten nur sehr rudimentäres Werkzeug. Etwas Ernsthaftes sollte besser nicht passieren - bis zur nächsten Bahnstation (und, überhaupt - welche wäre das eigentlich?) wäre es ein stundenlanger Fußmarsch. Allzu große Sorgen mache ich mir aber nicht - ich habe absolutes Vertrauen in mein Rad! Es hat mich gerade vor ein paar Tagen brav und ohne jede Mucken über die Alpen gebracht , dann wird es mich doch auch sicher hier durch Dänemark bringen können! denke ich mir - und so kommt es dann auch, alles funktioniert problemlos. Aber gerade hier, irgendwo im dänischen Nirgendwo mache ich mir doch gerade ein paar Gedanken darum, was wäre wenn... (Wobei, ahem: Ganz hinten im Kopf klopft auch eine dunkle Erinnerung - war da nicht in der Tagen vor der Alpenüberquerung eine der teuren Pedalen ohne jeden erkennbaren Grund abgebrochen...? Aber da sind ja neue dran...)
Als mich mal ein LKW überholt (gaanz vorsichtig zieht er vorbei), ist das eine so überraschende, besondere Situation, dass ich ein Foto von ihm mache - so friedlich ist das Radfahren hier.
Was für ein krasser Gegensatz zu meiner Alpenüberquerung vor wenigen Tagen: Steigungen sind hier nicht zu erwarten - trotzdem bringt es einfach Spaß, hier in diesem friedlichen Fleckchen Erde so gemütlich zu fahren. Eine typische Straße hier in Süd-Dänemark.
Nach zwanzig Minuten stoße ich wieder auf die Grenzroute, die einen weiten Bogen nach Süden gemacht hat. Bis in die Ortschaft Rens verlaufen beide Strecken gemeinsam - und hinter Rens entscheide ich mich, der Nationalroute 8 untreu zu werden und mich doch mal auf die Grenzroute zu begeben.
Zwei Gründe dafür: Ich habe Hunger - und meine Rucksackfüllung gibt da nicht viel her. Allerdings habe ich keine Dänische Kronen bei mir, sehe andererseits hier auch keine Möglichkeit, mir welche zu ertauschen und wüsste auch nicht, wo ich diese dann hier in Dänemark einsetzen könnte. Da fahre ich doch einfach nach Ladelund - dort erinnere ich immerhin einen Supermarkt. Und, der zweite Grund für den Abstecher nach Deutschland: Auf dem Weg nach Ladelund gibt es doch diesen kleinen Hofladen, den meine Liebste und ich damals so entzückend fanden. Dorthin ist es nur ein kleiner Schlenker von der Strecke nach Ladelund in Richtung Bramstedtlund. Den großartigen, selbstgemachten Kürbissalat wird es dort jetzt nicht geben - aber vielleicht ja andere attraktive Angebote? In meinem Rucksack ist ja noch ein wenig Platz...
Also geht es jetzt weg von der Nationalroute 8, direkt nach Süden.
Nach ein paar Minuten Fahrt gibt es wieder einen Grund, kräftig in die Bremsen zu greifen - denn ich traue meinen Augen kaum: Links von mir stehen zwei Kamele. Dänische Kamele! Ein Stück außerhalb von Rens. Sicherheitshalber mache ich ein paar Fotos - nur, um sicher zu gehen, dass es sich nicht um eine Halluzination handelt. Womöglich war irgendetwas in mein Trinkwasser geraten?. Drei Minuten stehe ich hier, warte dass das linke Kamel sich mal weniger fotoscheu gibt. Aber nichts zu machen, auch Rufen oder merkwürdige Geräusche können das eigensinnige Tier nicht dazu bewegen, sich mal weniger störrisch zu verhalten. Es zeigt mir sein Gesicht beharrlich nicht. Na gut, dann fahre ich halt weiter...
Na sowas - plötzlich sehe ich neben mir zwei Kamele. Ich will ja gerade in den Süden, nach Deutschland, fahren. Aber bin ich womöglich doch schön weiter gen Süden geradelt, als gedacht? Immerhin bin ich ja in einem der
südlichsten Flecken Dänemarks...
Das linke Kamel ließ sich durch nichts dazu bewegen, auch mal das Gesicht zu zeigen.
Unbemerkt komme ich nach Deutschland. Und nach einiger Zeit stehe ich in der Nähe des Dorfes Bramstedtlund vor dem kleinen Hofladen. Ja - es gibt ihn noch genauso liebevoll gestaltet, wie vor drei Jahren. Auf die Mitnahme von Eiern, Salatköpfen oder Kartoffelbeuteln verzichte ich lieber, aber für ein paar Euro in der Kasse des Vertrauens lasse ich das eine oder andere Glas Marmelade in meinen Rucksack gleiten, der dadurch zwar spürbar schwerer wird - aber das macht mir gerade nichts. Ein toller Anlaufpunkt!
Ja - es gibt ihn noch, den netten kleinen Hofladen in Bramstedtlund, den ich noch lebhaft vom dritten Tag der Tour auf der Grenzroute erinnere! Die eine oder andere Marmelade kaufe ich trotz Rennrad dann doch. Doch die Eier bleiben hier.
Eine Bank für eine Pause kommt wie gerufen neben dem Friedhof und der Kirche im 1.300-Einwohner-Ort Ladelund.
Gut 20 Minuten später bin ich nach mittlerweile 47,5 km Strecke in Ladelund, mache auf einer Bank bei der Kirche 20 Minuten Mittagspause. Wobei mir erst jetzt auffällt: So etwas, wie einen Rastplatz habe ich auf meiner ganzen bisherigen Tour gar nicht gesehen - nirgendwo. Das Fehlen von solchen Orten ist schon ein ziemliches Manko auf der Route!
Es ist dann bereits 13:50 Uhr, als ich in Ladelund wieder aufbreche. Es wäre etwas arg stur, nun gerade wieder nach Norden zu fahren, um wieder genau an den Punkt zu geraten, wo ich von der Nationalroute 8 abgebogen bin. Da mache ich auf der Grenzroute von Ladelund aus doch einfach den Schlenker nach Westen, um dann auch etwas weiter westlich wieder auf die Nationalroute 8 zu stoßen.
Auch hier, jetzt eine Weile auf deutschem Gebiet, lässt es sich hervorragend fahren. Als es nach einiger Zeit auf eine landwirtschaftliche Nutzstrecke geht, ist das mit dem Rennrad nicht so schön. Die Schotterstrecke beim Grenzübergang (an den ich mich mit seinem kleinen verlassenen und fast verfallenen Grenzer-Häuschen genau erinnern kann) wird mit den empfindlichen Reifen ganz vorsichtig gefahren.
Zurück nach Dänemark geht es an dieser verfallenden kleinen Grenzstation vorbei über eine kurze Schotterstrecke.
Aber kurz danach schon geht's weiter auf dänischer Seite auf gutem Asphalt. Viel Abwechslung bietet die Landschaft zwar nicht. Aber sie bietet beständig die Möglichkeit, den Blickweit schleifen zu lassen: Die Gegend ist flach. Platt. Steigungen sind nach Flensburg nicht mehr zu bewältigen. Meine "Trans-Dan" unterscheidet sich da doch sehr von den Eindrücken der vor wenigen Tagen durchgeführten "Transalp"...
Eine großzügige Auffahrt führt zu dem schicken Gebäude am Wegesrand.
Nach 50 Minuten Fahrt ab Ladelund ohne jeden Stopp oder gar Pause bin ich dann im Zentrum der sehr schönen Stadt Tønder (deutsch: Tondern) mit seinen rund 7.500 Einwohnern. Gerne nutze ich die kleine Stadt, um mir ein wenig die Beine zu vertreten - das tut auch mal ganz gut nach so einem Stück von 67 km. Eine wirklich ausgesprochen hübsche Stadt, die vom Aussehen her auch in Schleswig-Holstein sein könnte (kein Wunder: Bis zum Volksentscheid 1920 gehörte Tondern mit Nordschleswig ja zum Deutschen Reich). Aber: Die sehr lässig-entspannte Atmosphäre hier in Tønder passt für mich dann doch viel besser zu Dänemark, als zu Deutschland...
Auf dem "Torvet", dem zentralen Marktplatz in der Altstadt von Tønder, erfreuen sich bei dem prallen Sonnenschein vor allem die Schattenplätze großer Beliebtheit.
Gemütlich geht es in der ganzen, zauberhaften Altstadt von Tønder zu - besonders auch in der Fußgängerzone "Vestergade" (Westerstraße).
Nach 20 Minuten Bummel und ein wenig Pause in Tønder geht es für mich weiter, und ich weiß noch von der Tour auf der Grenzroute: Die nächste "Etappe" wird eine sehr kurze. Es geht nach Møgeltønder (auf Deutsch Mögeltondern) mit seinen 840 Einwohnern. Das "Dorf mit der schönsten Dorfstraße Dänemarks" und mit dem Schloss Schackenborg auch Königsresidenz.
Gerade mal zehn Minuten Fahrt sind es dorthin. Wieder schiebe ich mein Fahrrad ein wenig durch den wirklich entzückenden Ort. Dem Königsschloss kann man sich nicht wirklich nähern, heute jedenfalls, es ist weiträumig umzäunt. Aber wenn man ein wenig durch die Zäune lugt, dann kann man mal einen Blick darauf werfen. Und: Ich staune gerade wieder einmal über mich selber, wie neugierig ich dann doch immer wieder auf Königshäuser reagiere - wo ich doch eigentlich kein Interesse an Königinnen und Königen habe und meist nicht einmal deren Namen weiß.
Hindurchgelugt durch das Schlosstor zum königlich-dänischen Schloss Schackenborg in Møgeltønder.
Die Schlossstraße, die "Slotsgaden", in Møgeltønder gilt als eine der schönsten Straßen Dänemarks.
Die wirklich schöne Dorfstraße, die Slotsgaden, sollte man als Rennradler lieber schieben: Das grobe Kopfsteinpflaster ist nicht schön zu fahren - es sei denn, man ist ausgeprägter "Paris-Roubaix-Fan"...
15:30 Uhr ist es bereits, als ich wieder Fahrt aufnehme, diesmal führt die Nationalroute 8 eine Weile lang direkt in Richtung dänisch-deutscher Grenze. Und nach 20 Minuten flotter Fahrt entscheide ich mich für einen kleinen Schlenker abseits der Nationalroute 8. Zu ungewöhnlich ist der Grenzort, an dem ich (schon wieder) einen kurzen Stopp machen will und den ich auch noch bestens erinnere. In Rudbøl, auf deutscher Seite Rosenkranz, ist der Ort, in dem die Staatsgrenze mitten auf der Straße verläuft. Ein paar Fotos sind hier natürlich wieder angesagt. Für ein paar Sekunden betrete ich deutschen Boden - um dann schnell wieder nach Dänemark zurück zu kehren. Das Spiel auf der Grenze zwischen diesen beiden Staaten - es gefällt mir wieder so, wie vor drei Jahren...
Unverkennbar die Grenze zu Skandinavien: Zwischen dem deutschen Rosenkranz und dem dänischen Rudbøl liegt eine der markantesten Grenzpunkte der Grenzroute - Grund genug für einen kurzen Abstecher von der Nationalroute 8 (vergl. das Titelbild meiner Bilderserie zur Radtour auf der Grenzroute 2009).
Die Pflastersteine im Asphalt markieren die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark. Das Foto stammt von der deutschen Seite.
Weit ist es gar nicht mehr bis zur Nordsee, fast meine ich schon, die frische Nordseeluft schnuppern zu können. Wie ein Pferd von seinem Stall werde ich davon nun angezogen. Die 1.200-Einwohner-Stadt Højer (Hoyer) durchquere ich nur flott: Weiter, schnell - ich will ans Meer!
Anfahrt auf die Stadt Højer - die ich allerdings nur kurz und schnell durchquere.
Und um 16:30 Uhr bin ich da: An der Nordsee! Großartig! Einmal quer durch Dänemark in fünf Stunden - und das sogar noch mit ein paar gar nicht mal so kurzen Pausen.
Da ist die Pause am Deich verdient: 92,7 km nach dem Start am Bahnhof in Flensburg (trotz einiger Schlenker - breiter ist Dänemark in seinem Süden nicht!) schnuppern mein Rad und ich frische Nordseeluft.
Ein weiter Horizont: Blick vom Deich in Richtung Nordsee.
Rauf auf den grünen Deich, das Fahrrad hinlegen, mich selber hinlegen, den Blick über die graue Matschepampe vor dem Deich schweifen lassen. Watt ist dat denn nur!? Das Wasser hat sich etwas zurück gezogen - Nordsee eben.
Zwölf Minuten Pause an der Nordsee! Liegen. Gucken. Genießen. Atmen: Nordseeluft!! Gibt es etwas besseres?
Allerdings ist es das ja jetzt, hier am Deich, noch nicht! Ich muss ja noch weiter, zwei Ziele habe ich heute noch: Ein Café ganz in Grenznähe, das uns damals am ersten Tag der Tour sehr entzückt hat. Und: Den Bahnhof in Klanxbüll - damit ich nach Hause komme. Vor allen Dingen das Café zieht mich weg vom Deich. Bis dahin ist es allerdings noch ein ganzes Ende: Ein paar Kilometer zurück landeinwärts, dann direkt nach Süden.
Auf einer schnurgerade Strecke geht es nach der Stippvisite an der Nordsee in Richtung Deutschland...
... und das Rad fährt völlig ruhig und zuverlässig.
Auf dieser schmalen, 6 km langen, schnurgeraden Strecke geht es dann wieder mal der Grenze entgegen. Die Straße erinnere ich ganz genau von der Fahrt auf der Grenzroute. Damals ging es in die andere Richtung - das erste mal auf der Tour nach Dänemark hinein, das abendliche Licht täuschte eine Wärme vor, die es nicht gab, es ergab aber ein schönes Titelbild für den Reisebericht des ersten Tages der Tour...
Nun habe ich hochsommerliche Wärme, die mit dem Fahrtwind wunderbar zu ertragen ist, und nachmittäglich-scharfes Sommerlicht. Nach 17 Minuten Fahrt bin ich an der alten, kleinen Grenzstation. Nicht nur, dass das damals schiefe LKW-Verbotsschild nun schön gerade steht, neu an dem altvertrauten Blick nach Dänemark ist auch ein Schild "Nationalpark Vadehavet" (Nationalpark Wattenmeer) - wie schön! Ich habe bisher zwar gar nicht gewusst, dass ich auf dänischer Seite in einem Nationalpark unterwegs bin, aber finde Naturschutzbemühungen natürlich immer erfreulich.
Blick zurück von der Grenze aus: Irgendwo dahinten verliert sich die schnurgerade Strecke in Richtung Højer am Horizont.
Die historische Grenzschranke hat keine Funktion mehr, außer das Anlehnen von Fahrrädern. Der Grenzstein
("DR P" steht für "Deutsches Reich / Preußen") zeigt allerdings, dass ich mein Rad in einem anderen
Staat zwischengeparkt habe.
Zu dem ersehnten Café in dem alten Zollhaus in Rodenäs auf deutscher Seite sind es von hier aus nur ein paar Meter. Auf der Grenzroute-Tour waren meine Liebste und ich ganz überrascht und entzückt von diesem zwar sehr abgelegenen, aber sehr liebevoll und durchaus ambitioniert gestalteten Ort am äußersten nördlichen Rand des deutschen Festlands - und ich freue mich, dieses Café wieder so anzutreffen. Zeit für einen Kaffee unter freiem Himmel :-)
Welch ein Glück nach 101 km Radfahrt ab Flensburg: Das Café Zollhaus - und es hat geöffnet! Eines der charmantesten und nettesten Cafés, das ich kenne - am aller-nordwestlichen Zipfel Deutschlands.
Nach Klanxbüll sind es dann nur noch ein paar Kilometer - die ich gemütlich ausrollen lasse. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass meine Beine nach dieser tolle Trainingstour nicht spürbar beansprucht wären. Da tun die paar Kilometer leichtes, lockeres Pedalieren gut.
Auf dem Bahnhof in Klanxbüll muss ich auf den nächsten Zug nach Hamburg gar nicht lange warten - erlebe dann aber die Überraschung, dass dieser fast schon übervoll ist.
Den Bahnhof im 1.000-Einwohner-Ort Klanxbüll findet man ohne weitere Ortskenntnisse ganz von allein, um 17:40 Uhr bin ich da. Und ein Zug nach Hamburg wird schon irgendwann kommen, der ist üblicherweise stündlich unterwegs. Knapp drei Stunden Fahrt stehen mir bevor - so groß ist Schleswig-Holstein dann doch.
Es ist zwar Hochsaison, aber eben auch ein Mittwoch Abend - was soll da schon sein? Nicht mal eine Handvoll Leute will hier in Klanxbüll heute einsteigen. Als der lange Regionalzug nach nur einigen Minuten Wartezeit dann kommt, mache ich mir am ehesten Gedanken darum, zügig zu einem der kleinen Fahrradabteile des von Sylt kommenden Zuges zu kommen. Aber ich erlebe eine Überraschung: Ich öffne die Tür - und sehe direkt in ein Dutzend sehr gestresster Gesichter. Und zwar von Leuten, die nicht aussteigen wollen. Der Zug ist absolut voll und dicht gepackt mit Menschen. Drangvolle Enge! Die Gesichtszüge verhärten sich sichtbar, als sie sehen, dass da jemand mit Fahrrad einsteigen will. Schnell laufe ich am Zug ein Stück weiter zum nach Fahrradabteil, aber dort ist es kaum anders. Alles rückt noch etwas enger zusammen, irgendwie zwänge ich mich in den Waggon hinein, halte mein Rennrad dabei "hochkant", damit es nicht so viel Platz verbraucht. Irgendwie geht es dann doch.
An den nächsten Stationen in Niebüll, Langenhorn und Bredstedt steigen überraschend viele Leute aus - und langsam kapiere ich: Ich bin keineswegs in einem "Touristenzug" gelandet, sondern mitten im Berufsverkehr. Das hier sind genau diejenigen Leute, die den Touristen auf Sylt einen schönen Tag, einen schönen Aufenthalt bescheren. Sicherlich etliche Saisonarbeiter, aber sicherlich auch viele Leute, die sich ein Leben auf der sündhaft teuren Insel Sylt mittlerweile gar nicht mehr leisten können - und drum hier in höchst unangenehmer, drangvoller Enge in den Feierabend auf dem Festland fahren. Hierüber wurde in den letzten Jahren mehrfach in den Medien berichtet - und jetzt stehe ich plötzlich mittendrin in dem Drama der "Inselvertriebenen". Darüber habe ich mir bisher gar keine großen Gedanken gemacht, es trifft mich gerade völlig überraschend. Manchmal öffnet es einem ja die Augen, mitten in einem Drama zu stehen - und man kann sich dann ja ein paar eigene Gedanken über unsere Tourismusindustrie machen...
Bis Husum leert sich der Zug dann so sehr, dass ich dort sogar einen Standplatz für mein Rad und einen Sitzplatz für mich bekomme. Erst ab Itzehoe füllt sich der Zug dann wieder spürbar - mit Leuten, die nach Hamburg wollen. Dort angekommen ist dann alles wieder "in Ordnung".
Ein paar Zahlen über meine "Trans-Dan", meine "Dänemark-Durchquerung" an einem Tag, mit kleinen Abstechern nach Deutschland:
Ingesamt habe ich mit dem Rad heute 117,2 km zurückgelegt, davon allerdings rund zehn km innerhalb Hamburgs mit dem Weg zu und von den beiden Bahnhöfen. Allein für die Fahrt von Flensburg nach Klanxbüll, größtenteils ja auf der Nationalroute 8, mit 106,9 km habe ich 6 Stunden und 48 Minuten gebraucht - einschließlich all der Pausen. Die reine "Netto-Fahrzeit" beträgt 4 Stunden, 45 Minuten - eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 24,5 km/h mit einem Maximum bei 41,7 km/h.
Obendrauf kommen dann aber noch rund fünfeinhalb Stunden Zugfahrt. Insgesamt aber trotzdem eine großartige Tages-Trainingsrunde ganz im Norden, bei Traumwetter. Was kann man sich mehr wünschen, wenn man gerade keine phantastischen Berge zur Verfügung hat - wie auf der gerade kurz zuvor beendeten Alpenüberquerung?
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